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Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Österreich

Die Handlungsempfehlungen sind die abschließenden Bemerkungen und Empfehlungen, die vom UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen erstellt werden. Österreich muss alle vier Jahre einen Fortschrittsbericht an den UN-Fachausschuss senden. Auf Basis dieser Berichte wird überprüft, wie gut Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzt. Der UN-Fachausschuss veröffentlichte im September 2023 seine Handlungsempfehlungen zum kombinierten zweiten und dritten Staatenberichts Österreichs. Diese Zusammenfassung umfasst die wichtigsten Aspekte dieser Handlungsempfehlungen des UN-Fachausschuss.

Allgemeine Grundsätze und Verpflichtungen (Artikel 1-4)

  • Bundesländer und Verantwortung: Die österreichischen Bundesländer zeigen sich nicht ausreichend verantwortlich dafür, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Sie müssen sich ebenfalls an die internationalen Verpflichtungen halten.
  • Umsetzung des menschenrechtlichen Modells von Behinderung: Die Gesetze auf Bundes- und Landesebene basieren immer noch hauptsächlich auf dem medizinischen Modell von Behinderung. Die Gesetze müssen geändert werden, um im Einklang mit dem menschenrechtlichen Modell von Behinderung zu stehen.
  • Individuell einklagbare Rechte: Die in der UN-Behindertenrechtskonvention festgelegten Rechte für Menschen mit Behinderungen sollten vor Gericht durchsetzbar sein.
  • Partizipation und Beteiligung: Menschen mit Behinderungen müssen verpflichtend in die Entwicklung von Gesetzen und politischen Maßnahmen einbezogen werden, die die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention betreffen.

Spezifische Rechte (Artikel 5-30)

Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung (Artikel 5, Artikel 6)

Der UN-Fachausschuss erkennt an, dass Fortschritte im Bereich des Behindertengleichstellungsrechts gemacht wurden. Aber er empfiehlt:

  • Mehr Rechte für Diskriminierungsopfer: Es sollte im Behindertengleichstellungsrecht die Möglichkeit geben, rechtliche Schritte zur Beendigung und Beseitigung von Diskriminierung einzuleiten.
  • Verbesserungen im Schlichtungsverfahren: Das Schlichtungsverfahren in den Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzen sollte für alle wirklich zugänglich sein.
  • Finanzielle Unterstützung für Verbandsklagen: Organisationen, die im Namen von Menschen mit Behinderungen Verbandsklagen einbringen, sollten finanziell besser abgesichert sein.
  • Schutz für Frauen und Mädchen mit Behinderungen: Besondere Maßnahmen sollten ergriffen werden, um diese Gruppe vor doppelter Diskriminierung zu schützen und es sollten wirksame Schutzmaßnahmen gegen Gewalt gesetzt werden.

Bewusstseinsbildung und besonders vulnerable Gruppen (Artikel 7, Artikel 8, Artikel 18)

  • Sensibilisierung auf Bundes- und Landesebene: Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um das Bewusstsein für die Lebensrealitäten von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen.
  • Kinder mit Behinderungen: Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern mit Behinderungen zu fördern.

Für geflüchtete und Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus, die auch Behinderungen haben, empfiehlt der UN-Fachausschuss:

  • Barrierefreie Gesundheitsversorgung: Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass diese Menschen uneingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung und Betreuung haben.
  • Erfassung von Behinderungen: Behinderungen sollten systematisch im Asyl- und Aufnahmeverfahren erfasst werden.

Barrierefreiheit und De-Institutionalisierung (Artikel 9, Artikel 19)

  • Barrierefreiheit verbessern: Gesetze für Barrierefreiheit sollten in Bereichen gelten, die sie bisher nicht abdecken. Vor allem sollten die Anforderungen für barrierefreies Wohnen verbessert werden.
  • Verbindliche Fristen und Gesetze für barrierefreien Verkehr: Es sollten feste Zeiträume und Gesetze für die flächendeckende Einführung von barrierefreien Verkehrsmitteln festgelegt werden.
  • De-Institutionalisierung: Es sollte eine Strategie umgesetzt werden, um Menschen aus institutionellen Einrichtungen zu bringen. Gesetze sollten diese Art der Unterbringung verbieten und für angemessene barrierefreie Wohnmöglichkeiten und Unterstützung sorgen.
  • Pilotprojekt Persönliche Assistenz: Es sollten keine neuen Einrichtungen gebaut wer-den, stattdessen sollten sich alle Bundesländer am Pilotprojekt zur Persönlichen Assistenz des Sozialministeriums beteiligen.

Gefahrensituationen und humanitäre Notlagen (Artikel 11)

  • Konsultation von Menschen mit Behinderungen: Bei der Umsetzung von Krisen- und Katastrophenschutzplänen, insbesondere auf Landesebene, sollten Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen konsultiert und aktiv einbezogen werden.
  • Barrierefreie Pläne und Schutzvorkehrungen: Pläne und Schutzvorkehrungen sollten für Menschen mit Behinderungen vollständig zugänglich gemacht werden.

Justizielle Rechte (Artikel 12, Artikel 13)

  • Unterstützte Entscheidungsfindung: Die Bundesländer sollten ihre Unterstützungsangebote erweitern, um eine umfassende unterstützte Entscheidungsfindung zu ermöglichen und Stellvertretungen zu verhindern.
  • Zugang zu qualifizierten Gebärdensprachdolmetscher*innen: Es sollte sichergestellt werden, dass ausreichend qualifizierte Gebärdensprachdolmetscher*innen für rechtliche Verfahren zur Verfügung stehen.
  • Barrierefreiheit von Verwaltungs- und Gerichtsgebäuden: Maßnahmen zur Barrierefreiheit von Verwaltungs- und Gerichtsgebäuden sollten beschleunigt und zügig umgesetzt werden.
  • Barrierefreie Verfahren und Entscheidungen: Entscheidungen von Behörden und Gerichten sollten in barrierefreien Formaten veröffentlicht und Verfahren online barrierefrei gestaltet werden.
  • Novellierung von Gesetzen zur Prozessfähigkeit von vertretenen Menschen mit Behinderungen: Gesetzesbestimmungen, die die Fähigkeit von vertretenen Menschen mit Behinderungen vor Gericht aufzutreten einschränken, sollten überarbeitet werden.

Persönlichkeitsrechte (Artikel 15-17)

Freiheit und Sicherheit der Person (Artikel 14) und Folterverbot (Artikel 15)

  • Verhinderung von Freiheitsentzug und Zwangsbehandlungen: Maßnahmen sollten ergriffen werden, um sicherzustellen, dass Menschen aufgrund ihrer Behinderung nicht gegen ihren Willen festgehalten oder zwangsbehandelt werden.
  • Bessere Haftbedingungen: Inhaftierte Menschen mit Behinderungen sollten unter menschenwürdigen Bedingungen untergebracht werden und angemessene Unterstützung erhalten.

Freiheit von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch (Artikel 16)

  • Gewaltschutz und -prävention: Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt und Miss-brauch, insbesondere für Frauen, Mädchen und Menschen mit Behinderungen in Institutionen, sollten umgesetzt werden.

Schutz der Unversehrtheit der Person (Artikel 17)

  • Verbot von Zwangssterilisationen und Zwangsverhütungen: Diese Praktiken sollten strikt untersagt werden und es sollten zuverlässige Daten dazu erhoben werden.

Freiheitsrechte (Artikel 21-23)

  • Barrierefreie Informationen: Informationen von Regierungen sollten für alle leicht zugänglich sein und das Gesetz zur Barrierefreiheit von Websites sollte besser umgesetzt werden.
  • Beteiligung von Behinderteninteressensorganisationen: Organisationen, die sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen, sollten konsultiert und aktiv in die Gestaltung und Überprüfung von Maßnahmen zur barrierefreien Kommunikation einbezogen werden.
  • Achtung der Privatsphäre: Maßnahmen sollten ergriffen werden, um die Privatsphäre und die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen zu wahren.
  • Recht auf Eheschließung: Menschen, die Unterstützung bei ihren Entscheidungen benötigen, sollten das Recht haben zu heiraten. Es sollte Maßnahmen geben, um dies zu ermöglichen.
  • Unterstützung für Eltern mit Behinderungen: Eltern mit Lernschwierigkeiten und psychosozialen Behinderungen sollten Unterstützung erhalten, um ihre Elternschaft auszuüben. Trennung von Kindern von ihren Eltern und deren Unterbringung in Einrichtungen sollte vermieden werden, indem familienbezogene Unterstützungsdienste angeboten werden.

Soziale Rechte (Artikel 24-29)

Inklusives Bildungssystem (Artikel 24)

  • Keine Segregation: Österreich sollte sich umgehend von getrennten Bildungssystemen verabschieden und stattdessen eine landesweite Strategie für inklusive Bildung entwickeln.
  • Ausbildung von Lehrer*innen: Lehrer*innen sollten besser ausgebildet werden, um Schüler*innen mit Behinderungen zu helfen. Es muss sichergestellt werden, dass diese Schüler*innen optimale Unterstützung erhalten.
  • Außerschulische pädagogische Betreuung: Zugänglichkeit muss auch für Schüler*innen mit Behinderungen gewährleistet sein.
  • Einklagbare Rechte für inklusive Bildung: Menschen sollten das Recht haben, inklusive Bildungseinrichtungen zu besuchen.
  • Österreichische Gebärdensprache: Die Österreichische Gebärdensprache sollte im Bildungsbereich anerkannt und genutzt werden.
  • Daten zu Inklusiver Bildung: Es müssen zuverlässige Daten zur inklusiven Bildung gesammelt werden.

Gesundheitsversorgung (Artikel 25)

  • Zugang zu psychosozialen Diensten verbessern: Menschen mit Behinderungen, insbesondere Kinder mit Behinderungen, brauchen besseren Zugang zu psychosozialen Diensten und es sollten genaue Daten darüber erfasst werden.
  • Zugang zur sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung: Frauen und Mädchen mit Behinderungen sollten Zugang zur sexuellen und reproduktiven Gesundheitsversorgung, einschließlich Empfängnisverhütung und Sexualaufklärung, haben.
  • Gebärdensprachdolmetschung: Gebärdensprachdolmetscher*innen sollten im Gesundheitswesen verfügbar sein, insbesondere auch für geflüchtete Menschen mit Behinderungen.

Rehabilitation (Artikel 26)

  • Zugang zu Rehabilitation: Maßnahmen, um allen Menschen mit Behinderungen gleichen und wirksamen Zugang zu Rehabilitation zu ermöglichen

Erwerbsbeteiligung und Arbeitsmarkt (Artikel 27)

  • Erwerbsbeteiligung erhöhen: Maßnahmen im Nationalen Aktionsplan für Behinderungen sollten in Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderungen, besonders Frauen mit Behinderungen, umgesetzt und verbessert werden.
  • Novellierung der Einschätzungsverordnung: Die Einschätzungsverordnung muss an das menschrechtliche Behinderungsmodell angepasst werden.
  • Gleichstellung am Arbeitsplatz: Die Bezahlung sollte gerecht sein und angemessene Vorkehrungen und Unterstützung am Arbeitsplatz sollten vorhanden sein. Jugendliche und junge Erwachsene sollten inklusive Berufsorientierung und -ausbildung erhalten.

Sozialer Schutz (Artikel 28)

  • Maßnahmen zur Armutsbekämpfung: Effektive Maßnahmen, einschließlich vollständiger sozialversicherungsrechtlicher Absicherung, sollten ergriffen werden, um Armut bei Menschen mit Behinderungen zu beseitigen.

Politische und gesellschaftliche Teilhabe (Artikel 29)

  • Barrierefreie Wahlprozesse: Die politische Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sollte durch barrierefreie Wahlprozesse, Schulungen für Wahlbehörden und barrierefreies Wahlmaterial gewährleistet werden.

Kultur, Freizeit, Tourismus und Sport (Artikel 30)

  • Inklusiv, barrierefrei und ausreichend finanziert: Kultur-, Freizeit-, Tourismus- und Sporteinrichtungen sollten inklusiv gestaltet werden, barrierefreie Informationen bereitgestellt werden und ausreichende finanzielle Unterstützung vorhanden sein.

Spezifische Verpflichtungen

Statistik und Datensammlung (Artikel 31)

  • Datenerfassung: Österreich braucht einen umfassenden Rahmen für die nationale Datenerfassung im Zusammenhang mit Behinderung.

Internationale Zusammenarbeit (Artikel 32)

  • Inklusive internationale Zusammenarbeit: Menschen mit Behinderungen und ihre Organisationen müssen aktiv in die Gestaltung, Umsetzung und Überwachung von Programmen der internationalen Zusammenarbeit einbezogen werden. Sie sollten auch in die Entwicklung von Indikatoren zur Verfolgung des Fortschritts der UN-Nachhaltigkeitsziele beteiligt werden.

Dokumente

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