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Int. Tag der Menschen mit Behinderungen: Monitoringausschuss fordert mehr Unterstützung bei Elternschaft

Eine 20-jährige Frau mit Lernschwierigkeiten brachte am 15. Mai 2017 ihren Sohn auf die Welt. Auch der Kindesvater hat Lernschwierigkeiten. Bereits zwei Tage nach der Geburt werden der jungen Frau Abstilltabletten verabreicht, laut Kindesmutter ohne Information und gegen ihren Willen. Nur sieben Tage später entzieht man den Eltern die Obsorge und bringt den Säugling auf einen Krisenpflegeplatz unter.

Dieser Fall aus der Steiermark ist nur einer von vielen und zeigt mit welcher Realität Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychosozialen Behinderungen oft konfrontiert sind. „Besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten oder psychosozialen Behinderungen wird die Elternschaft häufig abgesprochen – und zwar aufgrund ihrer Behinderungen. Eine solche Diskriminierung und Ungleichbehandlung widerstrebt der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“, stellt Monitoringausschuss-Vorsitzende Christine Steger klar. Seit 2008 ist in Österreich die UN-Konvention in Kraft. Mit Artikel 23 hat sich die Republik verpflichtet, wirksame und geeignete Maßnahmen zu treffen, um Diskriminierung in Fragen der Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaft zu beseitigen. Grundsätzlich haben Kinder das Recht, nicht gegen den Willen der Eltern getrennt zu werden (Art. 9 UN-Kinderrechtekonvention).

Angst vor Kindesabnahme
Oft leben Eltern mit Lernschwierigkeiten und psychosozialen Behinderungen in ständiger Angst, dass ein kleiner Fehler zur Kindesabnahme führen kann. Sie empfinden die Kindesabnahme als Strafe, als unverhältnismäßig und willkürlich. Betroffene Eltern berichten zudem, dass ihnen die Gründe für die Abnahme zu wenig oder gar nicht dargelegt werden. Das führt dazu, dass sie sich den Behörden gegenüber hilflos fühlen. „Durch diese Angst trauen sich viele nicht einmal, um Unterstützung bei der Kinder- und Jugendhilfe zu fragen. Wer Unterstützungsbedarf formuliert, setzt sich dem Vorwurf aus, als Elternteil überfordert zu sein“, erläutert Steger.

Begleitete Elternschaft gefordert
„Wenn Österreich die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen ernst nimmt, muss man sich zwingend dem Thema der Kindesabnahme annehmen. Dazu müssen wir unbedingt ein funktionierendes System der Persönlichen Assistenz für die Elternschaft mit Rechtsanspruch schaffen“, so Steger weiter. Dazu brauche es individuelle Unterstützungsmaßnahmen: „Eltern mit Lernschwierigkeiten und psychosozialen Behinderungen benötigen ganz unterschiedliche Hilfestellungen. Das kann, ganz banal, Hilfe im Haushalt, bei der Strukturierung des Alltags oder das gemeinsame Erarbeiten von Familienkonzepten, sein. Bei Eltern mit Phasen der erhöhten psychischen Belastung muss individuell darauf eingegangen werden und die psychologische Hilfe bei Bedarf intensiver stattfinden. Dabei bleiben die Eltern immer die Hauptbezugspersonen der Kinder und werden nicht in ihrer Selbstbestimmung beschnitten.“
Der Unabhängige Monitoringausschuss wird demnächst eine ausführliche Stellungnahme mit Handlungsempfehlungen auf seiner Webseite veröffentlichen.