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Graz/Steiermark, 13. Oktober 2025 – Kinder und Jugendliche mit Behinderungen stoßen in Österreich noch immer auf zahlreiche Barrieren. Ein selbstbestimmtes Aufwachsen wird durch fehlende inklusive Bildung, unzureichende Gesundheitsversorgung und mangelnde soziale Absicherung erschwert.

Die Monitoringausschüsse für die Steiermark und Österreich haben in ihrer gemeinsamen Öffentlichen Sitzung die Rechte von Kindern und Jugendlichen zum Thema gemacht und jungen Menschen Raum gegeben, ihre Erfahrungen und Perspektiven zu teilen. Für eine barrierefreie Teilnahme gab es Gebärdensprach- und Schriftdolmetschung, bildgestützte Zusammenfassungen in einfacher Sprache, einen Ruheraum, unterstützende Buddies vor Ort und man könnte die Veranstaltung inklusive Austausch auch online per Live-Stream besuchen.

Wenig Wissen über die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen

Warum sich gerade mit dem Aufwachsen beschäftigen? „In der Kindheit und Jugend wird die Persönlichkeit gebildet“, sagt Matthias Grasser, Vorsitzender des Steiermärkischen Monitoringausschuss gleich zu Beginn. Julia Moser, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses ergänzt, wie wenig über die Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen bekannt ist. Selten kommen sie selbst zu Wort: was sie beim Aufwachsen bewegt, wie ihr Leben in verschiedenen Bereichen wie Freizeit, Freundschaft oder Familie aussieht und welche Wünsche und Träume sie haben.

Rechtlicher Überblick

Die Kinder- und Jugendanwält*innen Denise Schiffrer-Barac (Steiermark) und Sebastian Öhner (Wien; ist auch im Unabhängigen Monitoringausschuss) gaben einen Überblick über die rechtliche Lage und hielten fest: es gibt viele gute rechtliche Bestimmungen, aber oft werden sie nicht beachtet.

Bereits von klein auf beginnen die Hürden für Kinder mit Behinderungen und ihre Familien:

  • fehlende Kindergartenplätze
  • schwieriger Übergang in Schule und Ausbildung
  • Stigmatisierung
  • zu wenig Persönliche Assistenz
  • große Unterschiede je nach Bundesland
  • wenig Angebote, die auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind

Schiffrer-Barac fasst zusammen: „Jedes Kind, das nicht der Norm entspricht – wer auch immer diese Norm vorgibt – ist liebevoll und einfühlsam zu begleiten und zu fördern. Das ist notwendig, um ihnen Partizipation am gesellschaftlichen Leben sichern zu können“.

Impulspodium „Meine Stimme ist wichtig: Was bedeutet das für mich?“

Zu Beginn der Podiumsdiskussion berichteten drei junge Menschen, die in politischen Gremien aktiv sind, wie sie ihre Stimme einbringen und in welchen Lebensbereichen sie gehört werden – und wo nicht. Marlene Krubner (Unabhängiger Monitoringausschuss + Inklusionsbeirat Bundesjugendvertretung), Bernhard Nagler (Steiermärkischer Monitoringausschuss) und Denise Leitner (Jugendbeirat der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien) machten deutlich: in den meisten Bereichen wie Wohnen, Bildung oder Politik fehlt die Mitsprache. Oft wird man nicht ernst genommen und darf nicht mitreden.

Umso wichtiger ist die politische Teilhabe in Gremien – sowohl in lange bestehenden als auch in neuen Projekten, gemeinsam mit jungen Erwachsenen mit und ohne Behinderungen. Als Politiker*innen würden sie folgende Punkte umsetzen:

Austausch und Diskussion: Hilfen und Hürden beim Aufwachsen

In interaktiven Austauschtischen vor Ort und online wurden Hürden und Hilfen in verschiedenen Lebensbereichen besprochen. Jeder Tisch wurde gemeinsam von jungen Personen mit Behinderungen und Ausschussmitgliedern gestaltet. Themen waren: Arbeit & Ausbildung, Unterstützungsnetze und Selbstbestimmt Leben, Bildungsweg, Familienleben, unsichtbare Behinderungen, Wohnen, Liebe & Partnerschaft, Gesundheit und Freizeit.

An einem Erkundungs-Tisch konnte man sich zudem spielerisch mit den eigenen Bedürfnissen und Privilegien beschäftigen. Im Online-Austausch hat der Jugendbeirat Tirol Teile seiner neuen Stellungnahme vorgestellt.

In der abschließenden Podiumsdiskussion haben die Ausschuss-Mitglieder die wichtigsten Erkenntnisse der Austauschtische geteilt, die sie für die weitere Arbeit mitnehmen. Hier ein Überblick über häufig genannte Punkte.

Themen, die Kinder und Jugendliche beim Aufwachsen viel beschäftigen:

  • Stigmatisierung und Mobbing
  • Zwang zur Anpassung
  • Zugang zu Freizeit (v.a. Zugang zu Freizeitassistenz)
  • späte Diagnosen
  • komplizierte Behördenwege
  • fehlende Ausbildungsplätze
  • Abnabelung von Familie

Wünsche beim Aufwachsen:

  • Bedarfsgerechte Persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen
  • Vorbilder und Peers
  • Zugang zu Information (welche Rechte habe ich? Wo finde ich Unterstützung bei Leistungen oder Suche nach Ausbildungsplatz?)
  • mehr Wissen in der Gesellschaft zu unsichtbaren Behinderungen
  • Selbstbestimmung in Liebe, Sexualität und Partnerschaft – ohne Abhängigkeit von anderen Personen
  • Wohnen wo, wie und mit wem man will
  • Mehr Zeit, Respekt und Leichte Sprache im Gesundheitssystem
  • Lobby für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen

Eine Diskussionsgrundlage zum Thema ist online verfügbar: in Leichter Sprache und in schwerer Sprache.

Der Stream von der Veranstaltung kann auf YouTube nachgesehen/-hört werden.

Fotos: Stefan Leitner