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Am 7. September 2018 folgte der Unabhängige Monitoringausschuss einer Einladung nach Genf zur Anhörung vor dem UN-Ausschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Mit seinem Statement unterstützte er die Anliegen der zivilgesellschaftlichen Delegation.

 

 

Johanna Mang, stellvertretende Vorsitzende des Monitoringausschusses, fasst die Hauptaussagen des Berichtes zusammen: „Wir vermissen eine grundlegende Abkehr vom Wohlfahrtsmodell hin zu einem umfassenden Verständnis der Rechte von Menschen mit Behinderungen.“

Da der Monitoringausschuss nicht die Zivilgesellschaft vertritt, kam ihm bei der Anhörung eine besondere Rolle zu. Er unterstützte in Genf die Anliegen des Österreichischen Behindertenrates (ÖBR) zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Auch die Volksanwaltschaft, VertreterInnen des Dachverbandes Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ) sowie die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen berichteten zum aktuellen Stand vor dem UN-Gremium.

In seinen Ausführungen fokussierte sich der Monitoringausschuss auf drei wichtige Beobachtungen, die die Umsetzung der UN-BRK in Österreich hemmen:

  1. Die Auslegung der Menschenrechte in Österreich

Österreich hat die UN-BRK 2008 unter Erfüllungsvorbehalt ratifiziert, weshalb die dort garantierten Rechte nicht unmittelbar anwendbar sind. Das heißt, dass die UN-BRK bei der Auslegung von österreichischen Gesetzen sowie der Rechtsprechung berücksichtigt werden müssen. Die Bestimmungen der UN-BRK haben jedoch keine Priorität gegenüber der nationalen Gesetzgebung. Das hat zur Folge, dass internationale Menschenrechte als weniger verbindlich wahrgenommen werden. Zu beobachten ist das z.B. beim Recht auf Arbeit oder dem Recht auf Bildung für alle. Immer noch dominiert in Österreich der medizinische Blick auf Behinderung. Das Sozialmodell der Behinderungen wurde in der österreichischen Gesetzgebung und Politik bislang nicht umfassend umgesetzt. 

  1. Umsetzung der UN-BRK und Berichterstattung durch die österreichische Regierung

Der Monitoringausschuss erkennt die Anstrengungen, die Empfehlungen umzusetzen, die Österreich mit der letzten Staatenprüfung im Jahr 2013 erhalten hat, an. Viele der Empfehlungen wurden jedoch nicht aufgegriffen – in einigen Punkten gibt es auch zuwiderlaufende Entwicklungen. Ein Beispiel findet sich im Bereich Bildung. Die derzeitige Regierung bevorzugt wieder Modelle der Sonderbildung gegenüber inklusiven Schulsystemen. Häufig werden Pilotprojekte und andere einmalige Lösungen, die nicht flächendeckend umgesetzt wurden, hervorgehoben. Es fehlt eine grundlegende Abkehr von „begrenzten Wohltätigkeitslösungen“ hin zu einem umfassenden Verständnis von Rechten und Ansprüchen, um so eine nachhaltige Veränderung für Menschen mit Behinderungen zu erwirken.

  1. „Gold-Plating“

Die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung konfrontierten die österreichische Regierung mit einer Aufstellung von Sachverhalten, bei denen es in Österreich zu einer Übererfüllung des EU-Rechts („gold-plating“) gekommen sei. Auch das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Behinderteneinstellungsgesetz waren dort aufgelistet. An Fällen wie diesem beobachtet der Monitoringausschuss Bestrebungen, bereits erreichte Standards wieder abzubauen. In Folge dessen würden die Rechtsinhaber deutlich geschwächt werden.

Das Hearing der Zivilgesellschaft in Genf war ein erfolgreicher Auftakt zur Staatenprüfung, die spätestens im Frühjahr 2020 erfolgen wird.